"Intuition wird häufig falsch verstanden"

Ermitteln in "Der Pass": Nicholas Ofzcarek und Julia Jentsch

Alexander Horn gehört zu den bekanntesten deutschen Fallanalytiker und ist Mitbegründer des Täterprofilings bei der Münchener Mordkommission. Für die Sky Original Production "Der Pass" stand Horn als Berater den Machern der Thrillerserie zur Seite und half Figuren und die Motivlage des Täters auszuarbeiten.

Können Sie kurz den Beruf des Fallanalytikers skizzieren?

Ein Fallanalytiker ist in erster Linie ein Berater der Ermittler. Er kommt im Regelfall in komplexen und schwierigen Ermittlungen zum Einsatz. Er rekonstruiert mit seinem Team den wahrscheinlichen Tathergang, bewertet das gezeigte Täterverhalten und zieht daraus Rückschlüsse auf den unbekannten Täter. So entsteht auch das Täterprofil. Der Fallanalytiker hilft den Ermittlern ein vertieftes Fallverständnis zu erzielen. Dieses ist notwendig, um die Ermittlungen zielgerichtet priorisieren zu können.

Wie kam es zur Beratungstätigkeit bei "Der Pass"?

Vor einigen Jahren beriet ich bei einem München-Tatort, der von Wiedemann & Berg produziert wurde, so entstand der Kontakt. Als die Idee für "Der Pass" in die Realisierungsphase trat, kam es zu einem Treffen mit Cyrill Boss und Philipp Stennert, bei dem schnell deutlich wurde, dass dies eine spannende Zusammenarbeit werden würde.

Ich fand die Story großartig und konnte ihnen helfen, die Figuren und die Motivlage des Täters auszuarbeiten. Mich reizte dabei, dass wir über acht Folgen den Raum haben würden, einen Täter bei seiner Entwicklung zu beobachten und für den Zuschauer somit ein anderer Blickwinkel auf eine Ermittlung möglich wäre, jenseits des klassischen "Who dunnit".

Welche Hilfestellungen konnten Sie Franz Hartwig bei der Erarbeitung seiner Rolle geben?

Ich denke, die beste Hilfestellung war es, dem Täter in den Drehbüchern eine klare Kontur zu geben und ihn auch so zu beschreiben, wie er sich wohl in Alltagssituationen verhalten würde, damit Franz Hartwig ein Gefühl für diesen Charakter entwickeln konnte.

In Interviews mit Ihnen kann man lesen, dass Sie bei der Aufklärung eines Falls wenig von Intuition halten. Warum?

Intuition wird häufig falsch verstanden. Es wird hier oftmals auf das "Bauchgefühl" verwiesen, welches einem hilft, die richtige Entscheidung zu treffen. In meiner Wahrnehmung ist es jedoch anders. Das, was als Intuition beschrieben wird, ist häufig die Kumulation von Erfahrungswissen. Eine Ansammlung von erlebten Situationen, die man reflektiert und auf die aktuelle Situation anwendet. Das ist für mich sehr viel griffiger, als der etwas nebulöse Begriff der Intuition.

Gibt es reale Fälle, die dem von Franz Hartwig dargestellten Mörder ähneln oder zu Grunde liegen?

Der Mörder in "Der Pass" ist keine Anlehnung an reale Personen. Er ist vielmehr die Beschreibung eines Täters, der einen starken Wunsch danach hat, seine destruktiven Impulse ausleben zu können. Er hat dabei eine sehr genaue Vorstellung von seiner "Mission". Der Täter lebt das Bedürfnis Zeichen zu setzen aus und ist getrieben von Gefühlen der eigenen Grandiosität.

Dürfen Sie verraten, an welchen realen, großen Fällen der letzten Jahrzehnte Sie mitgearbeitet haben?

Es waren in den letzten 20 Jahren eine Vielzahl von Fällen. Besonders fordernd waren die Fälle des Serienmörders, welcher als "Maskenmann" nachts in Schullandheime, Zeltlager und auch Häuser eindrang und männliche Kinder sexuell missbrauchte und manche davon auch tötete.

Oder auch die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU), bei der neun Gewerbetreibende mit ausländischen Wurzeln und eine Polizistin getötet wurden.