Sky.de: Wolff-Christoph Fuss, Sie selbst sind in Nürtingen, im schönen Schwabenland aufgewachsen. Ihnen wird somit bekannt sein, dass im Volksmund der Schwabe als sparsam gilt. Dennoch warf der VfB Stuttgart 1999 das Geld zum Fenster hinaus, als er für den Brasilianer Didi rund vier Millionen DM hinblätterte. Nach zwei Kurzeinsätzen stellte die medizinische Abteilung fest: Dem guten Mann fehlt das rechte Kreuzband. Beim Medizincheck wurde dies vorher nicht erkannt.
Frieren Ihnen bei solchen Transfergeschichten die Lachmuskeln ein oder werden sie erst recht aktiv?
Wolff-Christoph Fuss: Als ich erfahren habe, dass da ein Brasilianer mit zu wenigen Kreuzbändern nach Stuttgart kommt, musste ich tatsächlich herzhaft lachen. Ich glaube jedoch, dass dieses Szenario heutzutage nicht mehr möglich ist. Die Spieler werden zuvor so sehr durchleuchtet, es gibt Unmengen alleine an Online-Videomaterial, das vorher begutachtet wird, ehe es überhaupt zu Transfergesprächen kommt. Daher halte ich solch eine Kuriosität in der heutigen Zeit für ausgeschlossen. Ebenso wie beispielsweise den Fall „Abédi Pelé“, als dieser dachte, er würde zum FC Bayern wechseln und stattdessen beim TSV 1860 München landete. Auch so etwas kann es heute, in einer Zeit in der alles so gläsern ist, nicht mehr geben.
Es sei denn, das Faxgerät streikt.
Das ist, glaube ich, der einzige Moment, bei dem das Faxgerät heutzutage überhaupt noch Verwendung findet. Immer dann am Deadline Day, wenn es gerade streikt, weiß man, stimmt, so was gibt’s ja auch noch.
Solch teure Missverständnisse wie damals beim VfB können sich die meisten Bundesligavereine nicht erlauben. In der neureichen Premier League hingegen werden immer häufiger extrem hohe Beträge für eher durchschnittliche Spieler gezahlt. So überwies zuletzt etwa Aufsteiger Norwich City für Timm Klose, der in Wolfsburg nur noch eine Reservistenrolle innehatte, satte zwölf Millionen Euro an die „Wölfe“. Inwieweit erscheint Ihnen die Transferpolitik in England bedenklich?
Wenn man einen deutschen Maßstab anlegt, scheinen das ungesunde Summen zu sein, die für Spieler in der Premier League mittlerweile gezahlt werden. Aus englischer Sicht ist es allerdings marktgerecht, denn es ist einfach mehr Geld vorhanden. Aber, mehr Geld heißt in diesem Zusammenhang nicht zwingend mehr Qualität. Der Durchschnitt ist halt deutlich teurer und kostet mehr Gehalt. Sportlich bringt das die englische Liga erstmal nicht weiter.
Inwiefern?
Ich finde, Hans-Joachim Watzke hat das Richtige gesagt; für die Top-Spieler in Deutschland gibt es im Grunde nur vier englische Klubs, die für einen Wechsel in die Premier League in Frage kommen. Bei denen macht es dann vielleicht auch monetär ein bisschen mehr Spaß. Wo die sportliche Herausforderung größer ist, liegt im Auge des Betrachters. Ich bin der Überzeugung, dass die Bundesliga der Premier League außer was durchschnittliches Gehalt und Ablöse betrifft, in nichts nachsteht. Im Gegenteil: Wenn man die Qualität der Spiele, wenn man sich die Stimmung in den Stadien betrachtet, das ganze Drumherum, dann habe ich bei der Fußball Bundesliga nicht nur ein wirtschaftlich seriöseres, sondern insgesamt auch ein besseres Gefühl.
Auch langfristig gesehen?
Zumindest mittelfristig. Wie sich das dann entwickelt, bleibt abzuwarten. Es ist sehr schwierig, den weiteren Verlauf auf längere Sicht seriös einzuschätzen. Allerdings ist momentan kein englischer Klub in der Lage, die Champions League zu gewinnen. Und solange das so ist, bleibe ich auch bei meiner Meinung. Und warum sollte die Bundesliga nicht von den gezahlten englischen Ablösesummen profitieren?!
Angenommen, Sie dürften für einen Tag die Position eines Fußball-Managers einnehmen. Hand aufs Herz, für 50 Millionen Euro kaufe ich: einen Toni Kroos oder lieber elfmal Kevin Großkreutz?
Ich würde versuchen Toni Kroos so weit runterzuhandeln, bis ich ihn und dazu, sagen wir mal, zwei bis drei Kevin „Großkreutze“ bekomme.